Laudatio zur Verleihung des Pocci-Preises 2016

Laudatio zur Verleihung des Pocci-Preises 2016 an Prof. Dr. Franz Brandl und den Münchner Madrigalchor am 17.Juli 2016 in der Pfarrkirche zu Dietramszell

 

Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.“ So schrieb der Philosoph Friedrich Nietzsche.

Diesem Irrtum ist Prof. Dr. Franz Brandl zu keiner Zeit erlegen. Die Musik ist und war sein Lebensbegleiter und -elixier, das ihn so erstaunlich jung hält. So ist es nur folgerichtig, dass die Franz Graf von Pocci Gesellschaft ihren Preis für das Jahr 2016 nunmehr an ihn und den Münchner Madrigalchor verleiht. Gerade im 140. Todesjahr Poccis ist dies eine besondere und verdiente Auszeichnung für den Chor und seinen spiritus rector seit fast einem halben Jahrhundert. Das Multitalent Pocci war ja selbst u.a. auch Komponist und Hofmusikintendant.

Da ich Franz Brandl seit langer Zeit verbunden bin, wurde ich gebeten, aus Anlass seines runden Geburtstags auf ihn eine Laudatio zu halten. In der Folge davon sollte ich auch die Preisverleihung durch die Pocci Gesellschaft würdigen. Da sie vor der „Schöpfung“ Haydns stattfindet, sollte das „Präludium“ nicht überfrachtet werden. Daher kamen wir überein, meine Gedanken zum ehrenden Anlass schriftlich vorzulegen.

Ich sehe Prof. Brandl als dreifachen „Meister“: als magister ludi, als magister vocis und als magister chori.Als magister ludi, als Lehrer in der Schule, vereinte er seine seltene Fächerkombination: Musik und Naturwissenschaften. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit war das Benediktinergymnasium in St. Ottilien. Das Musische als Quelle des Religiösen zu verstehen und zu nutzen, ist diesem Orden von Anfang an ein Anliegen gewesen. Franz Brandl hat das gefördert durch sein intensives Arbeiten mit dem Schulchor. Daneben stellte er sein reiches Wissen auch anderen Schulen und Chören ehrenamtlich zur Verfügung. Denn es war seine tiefe Überzeugung, bei den nachwachsenden Generationen ihr ingenium zu wecken: die naturgegebene Freude am Singen, nicht theorielastig, sondern beim selbständigen aktiven Musizieren. Er verstand es, die Fähigkeiten der Schüler gleichsam spielerisch zu entwickeln – eine Art sokratischer Mäeutik, einer musikalischen „Hebammenkunst“.

Was er an der Basis lehrte, kam Franz Brandl auf den weiteren und höheren Stufen seines Wirkens zugute. Aus der Empirie heraus deduzierend, wurde er zum Meister der Stimmbildung, zum magister vocis. Es hat mich immer wieder beeindruckt, wie eine zunächst etwas nebulöse „Sängerlyrik“ (z.B. kopfig – brustig) von der unklaren Vorstellung analytisch auch eine wissenschaftliche Basis gestellt hat – sozusagen vom Kopf auf die Füße. Dabei nutzte er die Kenntnisse, die er sich bei seinen naturwissenschaftlichen Studien und mit seiner Promotion erworben hatte. Durch gründliche Forschung fand er seine eigene Methode der Stimmforschung (Sonagramme, Phonetogramme), mit der er vielen Gesangsschülern von wenig Erfolg versprechenden Irrwegen zu gesanglichen Fortschritten führen konnte. So hat er manchen Lebenstraum vor dem Scheitern bewahrt. Seine fundierten Erkenntnisse hat er auch öffentlich vorgestellt in Vorträgen, Seminaren und Lehrbüchern. Besonders bezeichnend ist der spanische Titel „La Formación de la Voz con ayuda de las Ciencias Naturales“ (Stimmbildung mit Hilfe der Naturwissenschaften). Die Universität Klausenburg/Rumänien krönte die Laufbahn Franz Brandl mit dem Titel Professor. Und ein Professor in der wörtlichen Bedeutung ist er: ein geradezu missionarischer „öffentlicher Bekenner“ und Werber für die beglückende Begegnung mit Musik.

Das Doppelcharisma als Pädagoge und Stimmbildner mündete in der ausgeprägten Gabe des magisters chori, des meisterhaften Chorinspirators. Erste Erfahrungen in der Chorerziehung sammelte er bereits als Zwanzigjähriger. Mit der Zeit wuchsen Anspruch und Ausstrahlung bis hin zur internationelen Bühne. Sein bevorzugtes „Lieblingskind“ wurde der Münchner Madrigalchor, den er 1970 gründete und unter erheblichem Aufwand an Freizeit und Herzblut zu beachtlichen Erfolgen führte. Vielfältige Auszeichnungen bei Wettbewerben und Einladungen zu Chorreisen waren der Lohn für den disziplinierten Einsatz von Chorleiter und Choristen und schweißte die Chorgemeinschaft auch menschlich zusammen. Eine besondere Freude war es für mich, diesen Chor, der es durchaus mit professionellen Ensembles aufnehmen kann, zu einem Weihnachtskonzert vor den Abgeordneten des Bayerischen Landtags vermitteln zu können. Die Volksvertretung sollte beispielhaft erfahren, welches Leistungsniveau begeisterte Menschen erreichen können und wie wertvoll musische Erziehung ist. Sein Madrigalchor wurde unter den Händen von Franz Brandl zu einem wandlungsfähigen Instrument, das die Zuhörer imme r wieder in seinen Bann zieht, etwa bei dem „Geheimtipp“ (der allen empfohlen sei) der vorweihnachtlichen Konzerte in der prächtigen Asamkirche Münchens, bei denen ich die Freude hatte, als „Intermezzo-Organist“ mitwirken zu dürfen.

Dem Dreifach-Magister und seinem Chor herzliche Gratulation zu der Auszeichnung, der Pocci Gesellschaft Glückwunsch zum Preisträger 2016 ! Wenn in der „Schöpfung“ der Chor singt „Vollendet ist das große Werk“, gilt das auch für den Münchner Madrigalchor und seinen Leiter Prof. Dr. Franz Brandl. Beide haben sich über die Jahre hinweg als treffliche „fabricatores pulchritudinis“, als „Baumeister“ der Schönheit, verdient gemacht, die mit der Sprache der Musikdie alte Weisheit bewahrheiten: cor ad cor loquitur – das Herz spricht zum Herzen.

 

Dr. Berndt Jäger

 

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