Stimmentwicklung bei Kindern

Stimmentwicklung bei Kindern

 

Inhalte aus dem Seminar für Erzieherinnen, Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer, gehalten im März 2015

 

„Die menschliche Stimme ist das größte Instrument überhaupt“ (Leonard Bernstein)

 

Dieses Statement gilt für jedes Alter, also in gleicher Weise für den „Lehrer“ und für die Kinder. Mit Absicht steht hier der „Lehrer“ – gemeint sind alle Lehrpersonen weiblichen und männlichen Geschlechts – vor den Kindern; denn, wie die Kinder singen, ob ihr Singen ästhetische Anforderungen erfüllt oder ob sie krähen, basiert auf dem Vorbild, und das ist nun einmal der Lehrer.

In dem Terminus „Vorbild“ wird der Kursteilnehmer bzw. der Leser eine Forderung wahrnehmen, die ihn verunsichern oder abschrecken mag. Denn welcher Lehrer vermag schon stimmtechnisch und ästhetische „vorbildlich“, d.h. „schön“ zu singen!

Da gilt es, einiges zurecht zu rücken.

Ein Vergleich mit der Struktur sportlicher Disziplinen kann das Problem erhellen:

Seien es Guardiola, Löw oder Klopp, fest steht, dass keiner dieser Trainer in seiner Mannschaft spielen könnte. Aber – jeder verfügt über das Know-How, d.h. beherrscht – mental! – die Technik und kann somit seine Spieler erfolgreich trainieren. In diesem Sinne ist der „Lehrer“ Lehrer und Trainer zugleich:

Er muss – jetzt auf die Stimme übertragen – den Bau und den „richtigen Gebrauch“, also auch die Trainingsmethoden, des Singinstruments beherrschen.

 

A) Notenschrift bzw. Klaviatur des Klaviers.

Voraussetzung für eine zielgerichtete Arbeit ist die Erfassung des Tonmaterials. Dieser verfügbare Ton-Bereich wird beschrieben und erfasst durch die Notenschrift.n nSeit langem, spätestens seit dem Mittelalter hat man Tonhöhen in entsprechenden Notenschriften abgebildet. Somit sollte sich der Lehrer mit der heute üblichen Notenschrift vertraut machen. Diese bildet den verfügbaren Tonraum optisch ab. Um Ihnen die Arbeit zu erleichtern und Sie sofort für einen den ersten Unterricht fit zu machen, beginne ich sofort mit der Klaviatur des Klaviers. Um einen einfachen Zugang herzustellen, verzichten wir zunächst auf die schwarzen Tasten.

Die Anzahl der weißen Tasten des Klaviers beträgt 52, die der schwarzen Tasten 36.

Dazu einige physikalische Angaben:

1) Erzeugung der Tonhöhe durch Spannung der Saiten:

Die Saiten des Klaviers werden durch Filzhämmer angeschlagen. Dann schwingt die angeschlagene Saite mit einer bestimmten Frequenz = Anzahl der Schwingungen in der Sekunde. Diese Frequenz wird bestimmt durch die Saitenlänge, die Saitendicke und die Spannung der Saite. Der Klavierstimmer gibt der Saite durch Drehung des Wirbels (Metallpflöckchen zum Spannen), um den die Saite gewickelt ist, exakt die Spannung, die die geforderte Tonhöhe herstellt.

2) Teilung des gesamten Tonumfangs in Oktaven:

„Octavus“ (lat.) heißt der Achte. Die Aufeinanderfolge der Tasten ( = Töne) nennt man Tonleiter. Ein Ausschnitt von 7 Tönen, beginnend mit dem Ton c, heißt „C-Dur-Tonleiter“. Die 7 Töne der Tonleiter werden mit den 7 Buchstaben c, d, e, f, g, a, h bezeichnet. Der darauf folgende 8. Ton erhält wieder die Bezeichnung c mit höherer Nummerierung. So entsteht ein Intervall (Zwischenraum) von 7 Tonschritten mit den Ecktönen c.

2 A   1 C    C    c    c 1    c 2    c 3    c 4    c 5

Die Oktavtöne unterscheiden sich voneinander durch ein ganzzahliges Vielfaches, als Beispiel nehmen wir die mit „c“ bezeichneten Töne. Es gilt:

1 C – Kontra-C – Frequenz f = 32 (32 Schwingungen pro Sekunde)

C -    großes C – f = 64

c -    kleines c – f = 128

c 1 – eingestrichenes c – f = 256

c 2 – zweigestrichenes c – f = 512

c 3 – dreigestrichenes c – f = 1024

c 4 – viergestrichenes c – f = 2048

c 5 – fünfgestrichenes c – f = 4096

Spielt oder singt man die Töne c im Oktavabstand, z.B. c 1 und c 2, so erhält man die größtmögliche „Konsonanz“ (Zusammenklang): Die beiden Töne c 1 und c 2 werden als Einheit wahrgenommen. Am plausibelsten erkennt man diesen Sachverhalt, wenn man eine Frauen- und eine Männerstimme ein Lied singen lässt: Stets oktaviert die Frauenstimme die Männerstimme, d.h. die Frauenstimme singt zur Männerstimme stets die darüberliegende Oktav.

3) Bezeichnung aller Töne:

Wir sind jetzt in der Lage, jeden Ton, ob er nun gesungen oder auf einem Instrument gespielt, zu bezeichnen. Alle Töne könne wir auf der Tastatur des Klaviers abbilden und so bekommen wir den gesamten Tonraum „in den Griff“.

Ein Beispiel : f 2 ist der Ton Nummer 4 über dem c 2 (c 2 wird mitgezählt).

Um stimmtechnisch sinnvoll und verantwortungsvoll arbeiten zu können, ist es erforderlich, den „Ort“ der einzelnen Töne genau zu kennen. Häufig wird man Lieder transponieren. Dann ist es unerlässlich, die Lage der Spitzentöne zu wissen, damit eine erfolgreiche Arbeit möglich wird.

Beispiel 1:

Die amerikanische Nationalhymne:

Der Einfachheit halber schreibe ich sie in C-Dur, wohl wissend, dass so die Lage für durchschnittliche Laiensänger zu hoch ist:

Tiefster Ton : c 1 ; höchster Ton g 2.   Man wird zweckmäßig das Lied nach unten transponieren. Die für Kinder tiefst mögliche Lage wäre a („klein a“) bis e 2. Besser wählt man die Tonart B-Dur: Lage zwischen b („klein b“) und f 2.

Beispiel 2 :

„Kaljinka“ :

Umfang des Refrains (in g-moll) eine Quint: g 1 bis d 2.  Umfang des Liedes : eine Non ( in B-Dur) : g 1 bis g 2. Falls man das Lied tiefer intonieren will, empfiehlt sich e-moll (für den Refrain) bzw. G-Dur (Lied-Teil). Die Kosaken singen das Lied in f-moll / H-Dur.

 

Noch ein erster Hinweis zur Stimmtechnik:

Lieder singt man zuerst (und häufig) ohne Text. Dies gestattet die Wahl in hoher Lage. In dieser Lage ist in der Regel das Singen auf Text zu meiden. Mit Text also tiefe Lage. Genaueres dazu später.

 

München, 13.04.2015 / F.B.

 

 

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