Dürfen Kinder ohne Musik aufwachsen?

Abstrakt aus dem
„Handbuch der Automatenzucht“,

Essay des französischen Autors und Journalisten Pierre Mathias

Das Amadeus-Institut e.V. bemüht sich, die Musikerziehung und vor allem das Singen in unseren Schulen und Familien wieder mehr in den Mittelpunkt zu bringen..
Wir betrachten Musik nicht als isolierte Disziplin (Schulfach!), sondern als einen zentralen Strang im Strom des menschlichen Lebens. Musik befruchtet alle künstlerischen Bereiche und empfängt von ihnen Impulse: vom Tanz, Literatur, Sprechtheater, Malerei, Zeichnen, Bildhauerei und sicher auch vom Sport.
Und dennoch erscheint uns, dass eine Abgrenzung des Bereiches Kunst vom „materiellen Leben“ noch nicht die richtige Sicht sein kann:
Arbeitswelt und Kunst bedingen und beeinflussen sich gegenseitig. Stets wirkt auch der „homo faber“ im Tempel der Musen.

Unter diesem Aspekt erweitert der Essay von Pierre Mathias unseren Wirkungsbereich, dessen Kristallisationskeim natürlich die Musik ist.

Aus dem Handbuch der Automatenzucht

Frühkindheit:
Verantwortliche „Automateneltern“ sorgen dafür, dass ihr Nachwuchs so schnell wie möglich in einem Hort (Kita) untergebracht wird. Es ist schädlich für das Kind, zu viel Wärme zu erfahren. Es muss von Anfang an konditioniert werden, sich anzupassen und – im Kontakt mit Gleichaltrigen – Konflikte zu bestehen.
Ziel ist das reibungslose Meistern der geforderten Arbeitsprozesse. Hinterfragen oder selbständiges Denken sind systemstörend.

Die beste Methode zum Erreichen dieser Ziele ist es, dem Kind Angst einzuflößen. Deshalb ist es ratsam, alles Musische auszuschalten. Die Erziehung sollte darauf fixiert sein, das bloße Existieren zu gewährleisten. Der Rest ist überflüssig! Warum sollte ein Automat singen oder zeichnen können?

Die Einschulung:
Wenn in Frankreich die Einschulung mit Zwei stattfinden soll, hat das gute Gründe. Die Erfahrung zeigt, dass kleine Automaten sehr aufnahmefähig und formbar sind. Spielen darf nur produktiven Zielen dienen, Spaß und Fantasie sind zu verhindern. Zuwendung im Elternhaus begünstigt Fehlentwicklungen und ist auszuschalten. Liebe für Automaten ist Zeitverschwendung, die in die Irre führt. Gefühle sind nur zu dulden, wenn sie der wirtschaftlichen Produktivität dienen.

Schule und Freizeit:
Auch wenn die Grundvoraussetzungen der Automaten-Bildung durch die Vorschule geleistet ist, sind Rückfälle nicht auszuschließen.
Wichtigste Forderung ist deshalb: Nachdenken ist zu verhindern.
Dieses Ziel wird durch gezieltes Manipulieren der grundlegenden Lebensbereiche Arbeit und Freizeit erreicht:
Die Kids (das Wort „Kinder“ ist zu tilgen, es ist mit schädlichen Emotionen befrachtet! Außerdem benötigen die zwei Silben dieses Wortes zu viel Platz und Zeit!) werden mit Hausaufgaben überhäuft, Methode ist das „Bulimie-Lernen“:
Am besten für das Lernen eignen sich „Fakten“, die keinen Bezug zu Gefühlen und zur Ästhetik haben. Ständige „Rechenschaftsablagen“ garantieren das Funktionieren dieser Pädagogik.
Freizeitaktivitäten sollen demselben Ziel dienen, denn gefordert ist ja gerade deren Gegenteil, nämlich „Freizeitpassivitäten“. Die Wirtschaft basiert auf dem vollständigen Rückfluss der ausbezahlten Löhne. So wurde „Kaufen“ zur Droge und ersetzt harte Drogen.
Die Planer bemächtigen sich deshalb der Sinne und Sinneszentren: Das „Auge“ durch Bildmanipulationen und Bildmontagen, das Ohr durch Dauerbeschallung mit akustischen Events (die konsequent wertvolle Musik meiden), das Gehirn durch ein Trommelfeuer unzusammenhängender Szenen (die suggerieren: die Welt ist ein Tohuwabohu).
Das „Abdecken“ von Auge und Ohr gewährleistet die Macht über die Arbeits- und Freizeitphasen.

Schlaf:
Es ist „wünschenswert“, dass der Schlaf unser Bildungsbestreben bald vervollständigt. Ein interessantes und lukratives Forschungsgebiet: lukrativ für alle Beteiligten!
Empfehlenswert ist die Entwicklung von „Kopfmasken“, die durch elektromagnetische Quantenfelder und akustisch-taktile Reize den Schläfer für den „kreativen Arbeitsprozess“ aktiviert. Die Grenzen von Wach- und Schlafphasen sollen aufgehoben werden.

Autor Pierre Mathias,
gekürzt von Dr. Franz Brandl

P.S. : Heute, am 25. Oktober 2014, widmet der Münchner Merkur (MM) eine ganze Seite dem Dirigenten und „Kultur-Entdecker“ Nikolaus Harnoncourt, von Kennern als „Vater der Klassikszene“ hochgeschätzt.
Das Gespräch führte Markus Thiel vom MM.
Harnoncourt feiert am 6. Dezember seinen 85. An diesem Sonntag erhält der Dirigent im Münchner Gasteig den Echo-Preis für sein Lebenswerk.

In besagtem Interview findet sich eine Äußerung Harnoncourt’s zur Klassikszene und zur kulturellen Situation überhaupt. Diese verdichtet die Wahrnehmungen von Pierre Mathias:
„Ich beklage oft die Erziehungssysteme. Die Kinder wachsen auf ohne Kunst. Es gibt nur ein Ziel, und das heißt: funktionieren. So schnell wie möglich brauchbar werden. Sie werden zu Arbeitsbienen erzogen.“.

Wie man sieht, gibt es noch viel zu tun!

25. Oktober 2014, Dr. Franz Brandl

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