Musikalische Qualität und Ästhetik des Stimmklangs
Singen soll Erwachsenen und Kindern Freude machen.
Kinder sind erfahrungsgemäß begeisterungsfähig und singen enorm gern, wenn es richtig „serviert“ wird.
Damit dieses „Projekt“ wirklich gut ankommt und vor allem auch ins Jugend- und Erwachsenenalter hinein trägt, müssen zwei Bereiche abgedeckt werden:
Bereich 1 : Musikalische Qualität.
Diese beinhaltet:
a)) Wertvolle „Literatur“, in unserem Fall Lieder:
- Eingängige und schöne Melodien
- Zündende Rhythmen
- Texte mit Qualität. Diese können nachdenklich, beschaulich, sozial engagiert, lebensnah, aber auch humorvoll und lustig sein.
b)) Alles, was Musik „schön“ macht:
- Saubere Intonation
- Harmonisch interessante Begleitung,
- Abwechselnde Besetzung: Kleine Gruppe konfrontiert mit der tutti-Gruppe,
- Mehrstimmigkeit
- Ev. Singen mit Bewegung (heute „in“)
- Auftritte
Bereich 2 : Ästhetik des Stimmklangs,
banal ausgedrückt: „schöne Töne“
Wenn das Singinstrument nicht ästhetisch geschult wird, sind alle Versuche, das Singen zu erwecken und zu fördern, zum Scheitern verurteilt. Selbst wenn Kinder in der Grundschule gerne ihre Lieder „quaken“ (krächzen, sägen, d.h. Töne in verschiedenen Höhen in der Sprechtechnik produzieren ), werden die Kinder schon vor der Pubertät aussteigen .
Die Kinder sind dann einfach mit ihrem Gesang nicht mehr zufrieden.
Die „schöne Stimme“
Das Manko heute: An die „schöne Stimme“ kommen Lehrer und Kinder nicht heran. Den Lehrern wird auch nirgends vermittelt, wie man eine Stimme so fördern und trainieren kann, dass sie „schön“ wird.
Um eine Stimme so bilden, dass sie „schön“ ist, bedarf es sehr verschiedener und umfangreicher Kenntnisse und Arbeitsmethoden.
Diese Kenntnisse und Methoden will ich in meinem Unterricht für Lehrer und Studenten des Lehramts vermitteln.
Der „Register-Bau“ der Stimme:
Um meine „Schule“ nicht nur abstrakt anzubieten, sondern einen minimalen praktischen Aspekt sozusagen zur Werbung vorzuführen, stelle ich hier die „Stimm-Register“ vor.
Gangschaltung beim Auto:
Zur Veranschaulichung ein Vergleich mit der Gangschaltung beim Auto.
Nehmen wir an, ein PKW habe 4 Gänge. Jeder Fahrer weiß, dass zu den Gängen bestimmte Bereiche der Drehzahlen gewählt werden müssen.
Drehzahlen zwischen 2000 und 3500 Umdrehungen pro Minute (U/min)gelten als günstig. Drehzahlen von 1000 U/min (untertouriges Fahren) oder 6000 U/min (stark übertouriges Fahren) sollte man meiden.
Will man diese schädlichen Drehbereiche vermeiden, so muss man bei entsprechenden Drehzahlen bzw. Geschwindigkeiten „schalten“, d.h. den Gang wechseln.
Manche PKW-Fahrer bevorzugen eine Automatik, die dem Fahrer die Aufgabe des Schaltens abnimmt.
Gangschaltung und Registerwechsel:
Den verschiedenen Tonhöhen entsprechen verschiedene Schall-Frequenzen und diese wiederum basieren auf Stimmlippenschwingungen mit den Frequenzen dieser Tonhöhen.
Nun können die Stimmlippen mit einer konstanten Einstellung (Stimmlippenlänge, Spannung des Stimmbandmuskels, Spannungsgradient im Stimmbandmuskel) nur einen kleinen Bereich in der Tonskala hervorbringen.
Vergleich mit dem „Auto“:
Der erste Gang reicht etwa von 10 – 25 kmh, der zweite von 20 – 40 kmh usw.
Unser Stimmapparat kann z.B. die Stimmlippenlänge verändern. Wenn sie verlängert sind, sind sie für höhere Töne angepasst.
So gilt z.B.: kurze und kompakte Stimmlippen (Verzicht auf die Feinmotorik des Stimmbandmuskels) sind der Sprech- und Schreifunktion zugeordnet. Diese Einstellung ist nur für tiefe Töne vorgesehen (der Sänger nennt das „Brustregister“ oder „Bruststimme“). Der Tonumfang ist dabei so gering, dass er für normale Lieder nicht mehr ausreicht: „Hänschen klein“ geht da gerade noch, „Alle Vögel sind schon da“ lässt man besser bleiben.
Lässt man nun Kinder ohne stimmphysiologische Hilfen drauflos-singen, so pressen sie die höheren Töne mit einer Stimmlippeneinstellung heraus, die „Gewalt“ erfordert, wobei dann die hohen Töne oft ganz wegbleiben. Die Kinder hätten – wie der Autofahrer den Gang – in eine andere „Einstellung des Stimmapparates“ wechseln müssen.
Vier Gänge – vier Register
Kurz zum Begriff „Register“. Der Begriff entstammt dem Orgelbau und bedeutet eine bestimmte Klangfarbe, die durch einen bestimmten Bau der Pfeifen erzeugt wird.
In der Stimmtechnik bezeichnet der Begriff einen bestimmten Tonbereich. Für diesen Bereich ist eine bestimmte Stimmlippeneinstellung geeignet, eine andere Stimmlippeneinstellung ist dann auch einem anderen Tonbereich auf der Tonskala zuzuordnen.
Rein praktisch:
Wenn Sie die ersten vier Töne des Liedes „Alle Vögel sind schon da“ singen oder sich bewusst machen, so können Sie praktisch erfahren, wie eine Oktav klingt:
Der Abstand zwischen dem ersten Tons „Al-“ und dem vierten Ton „-gel“ demonstriert genau ein Oktave. Sie können z.B. den ersten Ton singen, den zweiten und dritten weglassen, den vierten wieder singen. Dann haben Sie eine Oktav gesungen. Wenn, beginnend auf g („klein g“), drei Oktave nach oben übereinander reihen, so haben Sie den Umfang einer durchschnittlichen Kinderstimme.
Eine gesunde Kinderstimme reicht von g (klein g) bis g3.
Diesen Umfang von drei Oktaven können Sie abrufen, d.h. singen, wenn Sie den Registerbau der Stimme nicht stören, oder besser: die adäquate Einstellung im Organ vornehmen.
Notenbeispiele: